Hörstücke, die zwischen Pop und Experiment pendeln, haben für mich etwas zutiefst Verführerisches: sie sind vertraut genug, um mich sofort abzuholen, und doch überraschend genug, um meinen Blick auf Klang neu zu schärfen. In diesem Text erzähle ich, wie solche Arbeiten entstehen — aus welchen Zutaten, Prozessen und Kooperationen — und wo ich sie selbst am liebsten suche und entdecke.
Was meine ich mit "Hörstück" zwischen Pop und Experiment?
Für mich sind Hörstücke nicht einfach Songs oder Klanginstallationen; sie bewegen sich in der Grauzone. Pop liefert Struktur, Melodie, Hook — Elemente, die direkt funktionieren. Experiment bringt Formbrüche, Texturen, unerwartete Produktionsentscheidungen oder konzeptionelle Konzepte mit ein. Kombiniert entstehen Werke, die zugänglich bleiben, aber gleichzeitig Fragen stellen: Was ist Song, was ist Soundkunst? Wie lange darf ein Refrain sein, bevor er zur Schleife oder zum Loop wird?
Die Zutaten: Klangquellen und Werkzeuge
Bei der Entstehung solcher Hörstücke gibt es typische Bestandteile, die sich je nach Projekt unterschiedlich gewichten:
Ein kleiner Tisch mit Tools, die sich häufig wiederfinden:
| Werkzeug | Wofür ich es nutze |
|---|---|
| Zoom H5 | Fieldrecordings, Interviews |
| Ableton Live | Arrangements, Live-Performances, Loops |
| Max/MSP | Granularsynthese, benutzerdefinierte Klangmanipulation |
| Modulares System (Eurorack) | Texturen, CV-getriebene Modulation |
Arbeitsprozess: Von der Idee zum Film im Kopf
Mein Prozess beginnt selten mit dem Ziel, einen "Song" zu schreiben. Vielmehr ist es eine akustische Neugier: Eine Aufnahme eines Marktplatzes, eine Melodie, die mir im Kopf bleibt, oder ein Textfragment können der Auslöser sein. Ich sammle zuerst Material — oft in chaotischer Reihenfolge — und lege es auf einem "Sample-Stapel" ab.
Die nächste Phase ist das Experimentieren: Ich lade ein Field Recording in Ableton, pitch-e es ein wenig, schneide Fragmente heraus, schleife eine Phrase bis sie hypnotisch wird. Manchmal baue ich um eine Hook herum einen konventionellen Pop-Aufbau auf: Intro, Strophe, Refrain — aber ich breche ihn mit ungewöhnlichen Übergängen, Stille oder plötzlich auftauchenden Geräuschen auf.
Wichtig ist mir die Balance: Wenn etwas zu konzeptuell ist, verliert es die emotionale Zugänglichkeit; ist es zu poppig, geht die Überraschung verloren. Deshalb arbeite ich oft kollaborativ: eine Stimme, ein Produzent mit Elektronik-Hintergrund, ein Instrumentalist, der Free-Jazz-Elemente beisteuert. So entstehen Spannungsfelder, die ein Hörstück lebendig machen.
Formale Mittel: Was macht es "experimentell"?
Typische Strategien, die ein Stück aus dem Pop-Rahmen lösen, sind:
Performance und Raum: Wie das Stück lebt
Viele Hörstücke entfalten sich erst im Raum. Ich habe Stücke erlebt, die im Club völlig anders wirkten als im Museum, und Radiostücke, die allein durchs Kopfkino lebendig wurden. Manchmal ist das Medium entscheidend: eine Studioaufnahme, ein radiophones Hörspiel, eine Live-Installation oder ein Konzert mit improvisierten Elementen.
Wo finde ich solche Hörstücke?
Meine Entdeckungsorte sind vielseitig — hier eine Liste mit meinen wichtigsten Quellen und warum ich sie mag:
Tipps fürs Entdecken und Zuhören
Wenn ich heute auf neue Hörstücke stoße, lasse ich mich meist zuerst vom Sounddesign fesseln — eine ungewöhnliche Textur, eine verzerrte Stimme — und erst dann von Melodie oder Text. Genau diese Kombination aus Eingängigkeit und Dissonanz macht die Arbeit so spannend: Man kann sie immer wieder neu entdecken, je nachdem, wie aufmerksam man zuhört.