Wenn ich darüber nachdenke, wie man eine Themenreihe im Theater kuratiert, die verschiedene Generationen anspricht, denke ich zuerst an Neugier — meine eigene und die des Publikums. Kuratieren heißt für mich nicht nur Stücke auswählen, sondern Räume schaffen, die Begegnung ermöglichen: zwischen Texten, zwischen Künstler*innen und Zuschauer*innen, und vor allem zwischen Menschen unterschiedlichen Alters. In diesem Artikel teile ich meine praktischen Erfahrungen, Überlegungen und konkrete Methoden, die ich in Projekten erprobt habe.

Warum Generationenvielfalt im Theater wichtig ist

Zu oft begegnet mir im Kulturbetrieb die Annahme, dass bestimmte Formate nur für "junges" oder "älteres" Publikum funktionieren. Ich glaube dagegen, dass Theater ein Ort par excellence für generationenübergreifende Auseinandersetzung ist. Theater erlaubt es, verschiedene Sichtweisen auf einer Bühne sichtbar und hörbar zu machen. Eine gut kuratierte Themenreihe kann Brücken bauen: zwischen Nostalgie und Neuem, zwischen Erfahrung und Experiment.

Fragen, die ich mir zu Beginn stelle

Bevor ich ein Programm zusammenstelle, arbeite ich eine Liste von Fragen durch. Diese helfen, den kuratorischen Fokus zu schärfen und die Bedürfnisse unterschiedlicher Altersgruppen zu berücksichtigen:

  • Welche übergeordnete Frage oder welches Thema soll die Reihe tragen?
  • Welche Formen (Schauspiel, Performance, Musiktheater, Partizipation) eignen sich am besten?
  • Welches Verhältnis von bekannten (zugänglichen) zu experimentellen Stücken ist sinnvoll?
  • Wie können Vermittlungsformate eingeplant werden, damit unterschiedliche Generationen sich angesprochen fühlen?
  • Welche Kooperationspartner*innen (Seniorenhäuser, Schulen, Jugendzentren) können eingebunden werden?
  • Das Thema als Dreh- und Angelpunkt

    Eine starke, prägnante Fragestellung ist das Rückgrat. In einer meiner letzten Reihen wählte ich das Thema Erinnerung und Zukunft. Diese Kombination ermöglichte es, Stücke zu programmieren, die sich mit biografischem Gedächtnis, digitaler Erinnerungskultur und Utopien beschäftigen. So konnte ich Stücke aus verschiedenen Generationen – ein zeitgenössisches Sprechstück, eine experimentelle Tanzperformance und ein älteres, wieder aufgeführtes Dramenfragment – in Beziehung setzen und Diskussionen anregen, die alle Altersgruppen interessierten.

    Programmgestaltung: Balance zwischen Vertrautem und Herausforderndem

    Generationenfreundliche Reihen profitieren von einer ausgewogenen Mischung:

  • Bekannte Namen und Attraktionen: Klassiker, etablierte Regisseur*innen oder populäre Schauspieler*innen ziehen Publikum an und schaffen einen Rahmenvertrauen.
  • Neue Stimmen und Experimente: Junge Regisseur*innen, Formate wie Forumtheater oder immersive Performances bringen frischen Wind und sprechen jüngere Besucher*innen an.
  • Cross-Generational Pairings: Ich habe gute Erfahrungen gemacht, wenn ich ein neues Stück neben einem vertrauten Text platziere und im Programmheft die Verbindungen erkläre.
  • Vermittlung als Herzstück: Formate, die verbinden

    Vermittlung darf nicht nur ein Add-on sein. Sie muss integraler Bestandteil der Reihe sein. Hier einige Formate, die in meinen Projekten besonders gut funktioniert haben:

  • Pre- oder Post-Show-Gespräche: Kurz, moderiert, mit klarer Einladung an alle Altersgruppen. Ich achte darauf, dass Gesprächsleitfragen einfach und offen formuliert sind.
  • Generationen-Talks: Panels, in denen Zuschauer*innen verschiedener Altersgruppen eingeladen werden, ihre Perspektive zu teilen. Das reduziert Nähebarrieren.
  • Workshops: Interaktive Formate wie Schreibwerkstätten, Körperübungen oder Soundlabs, die sowohl Älteren als auch Jüngeren konkrete Zugänge zum Stoff bieten.
  • Community-Projekte: Kooperationen mit Schulen, Seniorenzentren, Kulturvereinen. Gemeinsame Probenbeobachtungen oder "Partnersitzungen" stärken die Verbindung.
  • Barrierefreie Kommunikation und Ticketing

    Sprache und Erreichbarkeit sind entscheidend. Ich achte darauf, dass die Kommunikation sowohl online als auch analog funktioniert:

  • Klare, einfache Texte in Flyern; zusätzlich ausführlichere Infos online auf https://www.generation-konji.de können weiterführende Hintergründe bieten.
  • Verschiedene Ticketpreisstufen, Ermäßigungen für Schüler*innen, Studierende, Rentner*innen und Kulturpässe.
  • Reservierungsoptionen per Telefon für ältere Menschen, die online-Buchung scheuen.
  • Barrierefreundliche Räume (Zugang, Audiodeskription, Untertitelung) — das erhöht nicht nur die Inklusion, sondern signalisiert Wertschätzung.
  • Ästhetische Vermittlung: Programmheft, Raumgestaltung, Musik

    Kleine ästhetische Entscheidungen haben große Wirkung. Ein gut gestaltetes Programmheft mit kurzer Einführung von mir als Kuratorin, Interviews mit Regisseur*innen und Hinweisen zu Themen schafft Orientierung. Rauminszenierungen — ob Foyerinterventionen, Soundinstallationen oder Sitzplatz-Arrangements, die Nähe zulassen — beeinflussen, wie sich Menschen begegnen.

    Wie man Spannungen produktiv nutzt

    Unterschiedliche Generationen bringen unterschiedliche Erwartungshaltungen mit. Statt diese als Problem zu sehen, nutze ich die Spannungen bewusst:

  • Diskussionsformate, die explizit auf Kontraste eingehen (z. B. "Was ist uns wichtig? – Der Wert von Tradition vs. Erneuerung").
  • Performances, die Mehrdeutigkeit erlauben und Interpretationsräume offenhalten.
  • Feedbackschleifen: Nach einigen Veranstaltungen frage ich Zuschauer*innen aktiv, was sie überrascht oder irritiert hat — das gibt direkten Input für die nächste Programmplanung.
  • Partizipation und Mitgestaltung

    Wenn Menschen die Möglichkeit haben, selbst teilzuhaben, entstehen nachhaltigere Verbindungen. In einer Reihe habe ich z. B. ein partizipatives Performance-Projekt initiiert, bei dem ältere Menschen Erinnerungsfragmente einbrachten und junge Performer*innen diese zu kurzen Szenen verdichteten. Beide Seiten berichteten von intensiven Begegnungen und einem neuen Verständnis füreinander.

    Marketing: Ansprache für verschiedene Altersgruppen

    Marketing ist weniger eine Frage des Kanals als der Tonalität. Social Media (Instagram, TikTok) eignet sich hervorragend, um jüngere Menschen mit visuellen Clips und Behind-the-Scenes-Material anzusprechen. Für ältere Zielgruppen funktionieren lokale Zeitungsartikel, Newsletter und persönliche Einladungen besser. Wichtig ist, die Tonalität anzupassen: respektvoll, neugierig und ohne Abwertung.

    Evaluation und Flexibilität

    Gute Kuratierung endet nicht mit der letzten Vorstellung. Ich sammele kontinuierlich Daten und Eindrücke:

  • Publikumsumfragen nach Shows (kurz, optional, anonym).
  • Gespräche mit Schauspieler*innen und Regisseur*innen über Zuschauerreaktionen.
  • Analyse der Ticketverkäufe nach Altersgruppen (sofern möglich).
  • Auf Basis dieser Erkenntnisse justiere ich das Programm: mehr Workshop-Angebote, veränderte Laufzeiten, andere Spielzeiten (z. B. Sonntag-Nachmittage für Familien und ältere Zuschauer*innen).

    Konkretes Beispiel: Aufbau einer fünfteiligen Reihe

    Zum Schluss ein konkreter Ablauf, wie eine fünfteilige Reihe aussehen könnte:

  • Teil 1: Eröffnungsabend mit einem bekannten Klassiker (Publikum zieht an).
  • Teil 2: Zeitgenössisches Stück mit jungem Ensemble (Diskussion nach der Vorstellung).
  • Teil 3: Community-Abend mit partizipativer Performance, Einbeziehung lokaler Einrichtungen.
  • Teil 4: Intergeneratives Workshop-Wochenende (gemeinsame Proben, Austausch).
  • Teil 5: Abschlussgala mit Ausstellung der Workshop-Ergebnisse, Podiumsdiskussion, DJ-Set oder Konzert, das generationsübergreifend funktioniert.
  • So entsteht eine Kuratierung, die nicht bloß präsentiert, sondern verbindet. Theater kann damit zu einem Ort werden, an dem Generationen nicht nur nebeneinander sitzen, sondern miteinander sprechen, staunen und weiterdenken.